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fehe



Aufbau Verlag: "Vergiss Tarantino"


"Das Leben hier ist krasser als jeder Film!“, behauptet Julia Kissina:

Künstlerin und Autorin lebt seit 15 Jahren in Deutschland. Hier leben auch ihre Protagonisten: Ganz gewöhnliche Menschen unterschiedlicher Herkunft... „Gewöhnlich“ zumindest bis man etwas genauer hinschaut. Schnell entpuppt sich der Abteilungsleiter eines Ostberliner Supermarktes als Anhänger eines seltsamen Kultes. Für Christian ist sein Supermarkt ein Tempel mit den Opfergaben. Er kommt mit einer russischen Kundin ins Gespräch und sie holen gemeinsam eine Mumie in diesen Tempel des modernen Kapitalismus: Die Lenin-Mumie natürlich, denn Christian ist ein Russlandfan...

Danach erscheint es gar nicht mehr absurd, dass der Führer der Weltrevolution inmitten von Waschmitteln und Tiefgefrorenem im Beisein von Vertretern der UNO und des russischen Botschafters samt Gattin wieder belebt wird... Die Lenin-Mumie ist übrigens bei Axa versichert, eine Filmdokumentation der gesamten Aktion wird gedreht und Michael Gorbatschow ist selbstverständlich auch mit von der Partie...

 

 

Julia Kissina versteht es meisterhaft, einen winzigen, kunstvoll getarnten Riss in der Realität zu kreieren oder den Blickwinkel auf das anscheinend völlig Banale nur ganz leicht zu verschieben. Doch es ist genug, um die Fragilität des Realen sofort zu spüren.

Dabei beschreibt Julia Kissina keineswegs das Leben der russischen Emigranten in Berlin oder München. Sie behandelt ihre russischen Protagonisten lediglich als eine Art Katalysatoren, die dem Eintönigen, dem „Normalen“ in Deutschland zu überraschenden Transformationen verhelfen. Denn: „Die „Normalität“ sei das allerschlimmste, was einem Menschen widerfahren kann“, behauptet Julia Kissina.

 

Deshalb lässt die Autorin gern den „russischen Wahnsinn“ in den deutschen Alltag hinein und ein Feuerwerk des Grotesken, des Surrealen erhellt das geregelte ordentliche Leben, verleiht ihm völlig unerwartete Farben.

Die Kurzgeschichten von Julia Kissina stehen eindeutig in der klassischen Tradition der russischen Erzählerkunst. Doch die Autorin findet souverän Ihren eigenen Weg und balanciert gekonnt zwischen dem gnadenlosen Zynismus und subtiler, warmherzigen Ironie und Selbstironie: Es sei die totale Unmöglichkeit sich gegenseitig zu verstehen, was die Beziehung zwischen den Deutschen und Russen prägt und so spannend macht, behauptet Julia Kissina. Warum man sich nicht verstehen kann, darauf gibt sie allerdings keine Antwort. Denn auch dadurch will Julia Kissina ihre Leser zum Nachdenken bringen und für die Schönheit der alltäglichen Absurdität sensibilisieren. Und genau wie die großen russischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts wünscht sich die sonst durchaus moderne Autorin, dass man durch ihre Texte das Leben mit völlig anderen Augen sieht, als zuvor:

„Deshalb lesen wir überhaupt! Jeder Text - wenn er gut genug ist - schafft seine eigene Dimension. Das „dritte Auge“ öffnet sich... oder auch das vierte... auf welchem Körperteil auch immer!“

 

 

Julia Kissina ist Künstlerin und Autorin, geboren 1966 in Kiew, lebt seit 1990 in Deutschland. Studium an der Kunstakademie in München, mehrere Einzelausstellungen und Teilnahme an Gruppenausstellungen.

 

In Russland und Deutschland veröffentlichte sie einzelne Erzählungen in Zeitschriften und Anthologien. „Vergiss Tarantino“ ist ihr erster Erzählungsband in Deutschland.

 

 

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